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Ein Jahr auf der Gehegewiese und Frauenwiese - April

Die Hohe Schlüsselblume (Primula elatior) befand sich am 28. April im Hinteren Teil der Gehegewiese in Vollblüte. – Foto: Andreas Püwert
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Die Hohe Schlüsselblume (Primula elatior) befand sich am 28. April im Hinteren Teil der Gehegewiese in Vollblüte. – Foto: Andreas Püwert

Das Wetter im April machte seinem Namen alle Ehre. Mit Sonnenschein, Regen, Hagel, Schnee, Nachtfrösten und Sturm, zeigte es sein ganzes Spektrum. Der Niederschlag lag jedoch unter dem langjährigen Mittel. Die Flora auf den Wiesen um die Lochmühle entwickelte sich dennoch positiv. Durch die bereits 13 Jahre andauernde Pflege der Wiesen sind im Frühjahr ausreichend offene Bodenstellen zur Keimung der Pflanzen vorhanden. Besonders Arten, welche heute einen naturschutzfachlich besonders hohen Stellenwert einnehmen, weisen jedes Jahr deutliche Bestandszuwächse auf. So wurden im April allein auf der Gehegewiese über 1400 blühende Hohe Schlüsselblumen gezählt. Die Keimlinge gehen in die Tausende und werden in den kommenden Jahren die Wiesen wieder im leuchtenden Gelb erstrahlen lassen, wie sie noch vor 50 Jahren typisch für das Erzgebirge waren. Durch den unterschiedlichen Grad der Besonnung weisen Gehegewiese und Frauenwiese eine abweichende Phänologie auf. Während im hinteren Teil der Gehegewiese die Hohe Schlüsselblume Ende April noch in Vollblüte steht, ist sie auf der Frauenwiese bereits verblüht. Dort beginnt gerade die Vollblüte der Echten Wiesenschlüsselblume. Von den auf den Wiesen vorkommenden Orchideenarten schieben 4 Arten bereits Blätter und entwickeln kräftige Rosetten. Das Breitblättrige Knabenkraut zeigt bereits erste Blütenstände. Auch die Trollblume, Wolliger Hahnenfuß und Wiesenschaumkraut beginnen zu blühen.

Bei der Verbreitung seiner Samen ist das Gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides) auf Ameisen angewiesen. – Foto: Andreas Püwert
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Bei der Verbreitung seiner Samen ist das Gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides) auf Ameisen angewiesen. – Foto: Andreas Püwert

Weitere typische Frühjahrsgeophyten, wie das Gelbe Windröschen, stehen in voller Blüte. Die Samen dieser Art werden durch Ameisen verbreitet (Myrmekochorie). Dazu produzieren die Pflanzen ein nährstoffreiches Anhängsel, welches die Ameisen anlockt. Viele dieser auf Ameisenverbreitung abhängigen Pflanzenarten sind auch auf Wiesen in Schutzgebieten verschwunden, obwohl diese schon Jahrzehnte lang Naturschutzgerecht bewirtschaftet werden. Nur auf sehr alten Wiesenstandorten, kommen heute noch im Erzgebirge solche von Ameisen abhängige Pflanzenarten vor. Die Gehegewiese und die Frauenwiese sind beide mindestens 600 Jahre alt. Eine solch seltene Wiesenpflanze ist der Bergklee. Dieser findet sich auf beiden Wiesen konzentriert an den Ameisenhaufen.

Nur durch aufwändige Handarbeit können die Lebensräume um die Lochmühle erhalten werden. – Foto: Andreas Püwert
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Nur durch aufwändige Handarbeit können die Lebensräume um die Lochmühle erhalten werden. – Foto: Andreas Püwert

Auch im April fand wieder ein praktischer Einsatz statt. Ein als Garten genutzter, die letzten beiden Jahre brach liegender Teil an der Lochmühle, wurde in einen mahdfähigen Zustand versetzt. Dieser Abschnitt wird nun als Wiesen genutzt und damit der Lebensraum Wiese im Oberen Striegistal vergrößert. Durch Pacht und Ankauf von Wiesen soll in den nächsten Jahren ein Biotopverbund entstehen, welche unter anderem Arnika, Trollblume, Hellen und Dunklen Wiesenknopfameisenbläuling das langfristige Überleben in großen Populationen ermöglicht. Die Wiese als Lebensraum ist in Mitteleuropa durch die Nutzung durch den Menschen entstanden und nur durch Nutzung zu erhalten. Diese muss auf die wertgebenden Arten, welche von besonders hohen Naturschutzfachlichen Wert sind, angepasst werden. Durch den Erhalt dieser sensiblen „Spezialisten“ werden auch die übrigen Arten auf der Wiese gefördert. Im Lauf des Jahres wird durch die unterschiedlichen Pflegemethoden wie der Kurzzeitbrache, Mahd, ausharken, plaggen, vertikutieren etc. jeweils einzelne Arten gefördert, andere kurzfristig negativ beeinflusst. Durch die jährlich auf Teilbereichen wechselnden Nutzungen werden jedoch langfristig alle Arten auf den Wiesen erhalten. So war es auch in den vergangenen 800 Jahren der bäuerlichen Nutzung der Wiesen. In Jahren mit einer Frühjahrsmahd beispielsweise kommen Frühjahrsblüher wie die Hohe und die Wiesenschlüsselblume nicht zur Ausbildung von Samen, einzelne Grasfrösche werden durch die Sense sterben oder ein Nest vom Rotkehlchen wird freigestellt. In Jahren mit einer Sommermahd hingegen können die Raupen von Hellen und Dunklen Wiesenknopfameisenbläuling sich nicht entwickeln und die Arnika kann nicht aussamen. Dieses Dilemma haben auch andere Naturschutzverbände! Das Fördern einer Art hat das Beeinträchtigen einer andern zur Folge. Auf der Gehegewiese und der Frauenwiese kommen Tier- und Pflanzenarten vor, welche in weitem Umfeld, durch die intensive Landnutzung der letzten Jahrzehnte verschwunden sind.  Der Schutz und die Pflege der gefährdeten Arten und Lebensräume kann nur gelingen, wenn deren Zahl, Zustand und Entwicklung ständig im Auge behalten wird.

Aus diesem Grund veranstaltet der NABU Freiberg am 11. Juni einen Biodiversitätstag an der Lochmühle. Hier werden den ganzen Tag mit Artspezialisten alle Biotoptypen, Tiere, Pflanzen, Flechten und Pilze erfasst. Die gewonnen Daten werden analysiert, in die zentrale Artdatenbank Sachsen den Fachleuten und Behörden zur Verfügung gestellt und die Pflege der nächsten Jahre angepasst und optimiert.



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